Pressemitteilung (03_08_04) zur Nutzung von Autovakzinen (therapeutischen Impfstoffen) in der Veterinärmedizin

Dr. Oliver Nolte, 03. August 2004

In den letzten Wochen wurde durch den im März erfolgten Nachweis resistenter Salmonellen in Putenfleisch aus deutschen Betrieben die Diskussion um Alternativen zu Antibiotika wieder entfacht und in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Antibiotika werden noch als Wachstums­förderer in der Veterinärmedizin eingesetzt. In Dänemark wurde jedoch bereits 1998 ein Bann auf Antibiotika als Wachstumsförderer gelegt. In der EU wurde 1999 bereits eine Reihe von Substanzen als Wachstumsförderer aus der Nutzung gebannt, ab 2006 soll der Einsatz prophy­laktischer Antibiotika ganz verboten sein. Damit stellt sich aber automatisch die Frage nach Alter­nativen, will man den Effekt vermeiden, dass durch Absetzen der prophylaktischen Antibiotika (=Wachstumsförderer durch Ausbleiben von Infektionen) ein Ansteigen im Verbrauch der therapeutischen Antibiotika durch vermehrtes Auftreten von Infektions­krankheiten eintritt. Eine viel versprechende Methode in der Kontrolle von Infektions­erregern und in der Behandlung von Infektions­krankheiten in tierischen Beständen besteht im Einsatz von autologen biologischen Produkten. Gemeint sind „Auto­vakzinen“ für die Behandlung von Einzeltieren, „stallspezifische Vakzinen“ für die Sanierung/Behandlung von Beständen oder „Misch­vakzinen“ (Bacterine) aus besonders häufig als Infektionserregern anzutreffenden Mikrobenstämmen für die Prävention von Infektionskrankheiten. Gerade die stallspezifischen und Autovakzinen sind in der Veterinärmedizin von hohem Wert (http://www.autovaccine.de/ND/NDVedMed/main_vetmed.html). Sie wirken nicht auf den Erreger selbst sondern stimulieren das Immunsystem der betroffenen Tiere (daher keine Resistenzentwicklung). Gegenüber normalen Impfstoffen berücksichtigen gerade die stallspezifischen und Autovakzinen die individuellen Erregereigenschaften.

Diese therapeutischen Impfstoffe sind bereits verfügbar und stellen schon jetzt eine Alternative zur antibiotischen Behandlung von Infektionskrankheiten bei Tieren dar. Wichtigstes Charakteristikum ist, dass es sich um maßgeschneiderte, therapeutische Impfstoffe handelt. Die Herstellung der jeweiligen Impfstoffe erfolgt auf Anforderung eines Tierarztes. Hierzu wird vom Tierarzt Untersuchungs­material für die Erregerisolierung eingesandt. Der isolierte Erreger bildet die Grundlage für die Vakzineherstellung. Hierüber wird eine außerordentliche Flexibilität in Herstellung und Einsatz gewährleistet. Neben der vergleichsweise einfachen Herstellung (kein langwieriges Zulassungs­verfahren, jedoch behördliche Genehmigung für stallspezifische Impfstoffe/Autovakzinen nach § 17 c, d, Tierseuchengesetz, TSeuchG), der geregelten Abgabe, welche durch den herstellenden Veterinär selbst möglich ist sowie vergleichsweise geringen Kosten bei Herstellung stall- oder gar herdenspezifischer Impfstoffe überzeugen die positiven Ergebnisse bei Einsatz von Autovakzinen. In Kooperation zwischen dem Hygiene-Institut der Universität Heidelberg (Dr. Oliver Nolte http://www.olivernolte.de) und dem Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Karlsruhe, Außenstelle Heidelberg (Dr. Hans-Erich Weiss http://www.autovaccine.de/HEW.html) konnte der Nutzen von Autovakzinen z.B. zur Behandlung von Pferdeerkrankungen klar gezeigt werden (Tierärztliche Umschau Vol. 59; Juni 2004: NOLTE, O., WEISS, H.-E, SONNTAG, H.-G. & HARTMANN, S. (2004): Homologe Autovakzination in der Behandlung von Infektionskrankheiten der Pferde — Ergebnisse einer retrospektiven Erhebung. [engl.: Results of a retrospective survey of the assessment of the efficacy of homologous autovaccination in the treatment of infectious diseases of horses]). Ein Großteil der erfolgreich mit Autovakzinen behandelten Pferde hatte zuvor Behandlungen mittels Antibiotika erfahren, ohne jedoch davon zu profitieren. Erstaunlicherweise ist die Methode der Behandlung und Prävention durch immun­stimulierende, autologe biologische Produkte in der EU noch nicht flächendeckend vertreten. Es fehlen auch EU-weite Regularien, die die Herstellung und das Inverkehr­bringen von Autovakzinen regeln. Dies verwundert angesichts der momentanen Debatte um Alternativen um so mehr als in den USA bereits ein Wachstumsmarkt existiert. Allein im Jahr 2002 wurden ca. 120 Millionen Dosen an autologen biologischen Produkten verimpft. Mehr als 50 Produkte therapeutischer Impfstoffe werden in den USA von ca. 20 Firmen maßgeschneidert für landwirt­schaftliche Betriebe hergestellt. Die Wachstums­raten in dieser Branche werden mit bis zu 10% und mehr pro Jahr angegeben.

Vorteile von Autogenen Produkten und Autovakzinen:

·         Alternative zu Antibiotika, daher für ökologisch denkende Tierhalter besonders gut geeignet,

·         schnelle Verfügbarkeit gegenüber bis zu 10-jähriger Entwicklungszeit von „regulären“ Vakzinen

·         Flexibilität in Reaktion auf antigenetische Variation bei Zielorganismen

·         oftmals preiswerter oder kosteneffektiver als „normale“ Impfstoffe

Nachteile:

·         begrenzte Verteilung und begrenzter Markt

·         nur wenige wissenschaftliche Daten verfügbar

·         nicht standardisiert, Antigenkonzentrationen können zwischen unterschiedlichen Chargen schwanken,

·         wissenschaftlich noch kaum erforscht, daher mangelnde Akzeptanz

·         praktisch keine einheitlichen EU-Regeln für Herstellung und Anwendung bzw. Inverkehrbringung (dies gilt insbesondere für die Autovakzinen).

Mit der Erforschung autogener Produkte befasst sich das EURO-ATVo:CARD Konsortium (http://www.euro-atvocard.de). Veterinärmedizinische Arbeitsgruppen aus Italien, Polen, Rumänien und Deutschland arbeiten in enger Kooperation mit humanmedizinischen Gruppen aus Wissenschaft und öffentlichen Institutionen. Kernaktivität des Konsortiums ist die wissenschaftliche Arbeit mit Bestand-spezifischen und Individuen-spezifischen Auto­vakzinen.

Die therapeutische Impfung als Alternative zur Behandlung sowie die Prävention durch autologe Produkte hat das Potential, Antibiotika in Veterinärmedizin zu ersetzen, damit einen Beitrag zur ökologischen Tierhaltung und zu mehr Lebensmittelsicherheit zu leisten. Weitgehend in Vergessenheit geraten ist dabei, dass Autovakzinen auch in der Human­medizin eine therapeutische Alternative darstellen können (http://www.autovaccine.de).

Weiterführende Informationsquellen:

http://www.autovaccine.de

http://www.autovaccine.de/ND/NDVedMed/main_vetmed.html

http://www.euro-atvocard.de

NOLTE, O., WEISS, H.-E, SONNTAG, H.-G. & HARTMANN, S. (2004): Homologe Autovakzination in der Behandlung von Infektionskrankheiten der Pferde — Ergebnisse einer retrospektiven Erhebung. Tierärztl. Umschau 315-320

NOLTE, O., MORSCHER, J., WEISS, H.-E. & SONNTAG, H.-G. (2001): Therapeutic autovaccination in cattle for the treatment of Actinomyces pyogenes mediated metritis. Vaccine 19(23-24):3146-3153

NOLTE, O. (2000): Autovaccine — Ein Überblick. Der Mikrobiologe 11(1):11-16

Kontaktdaten:

Dr. Oliver Nolte (E-Mail)
Hygiene-Institut, Abt. 17.1, Im Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg

Dr. Hans-Erich Weiss (E-Mail)
Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe, Außenstelle Heidelberg, Czernyring 21A, 69115 Heidelberg

Verantwortlich für den Inhalt der Mitteilung: Dr. Oliver Nolte

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Diese Mitteilung wurde auf der Website http://www.autovaccine.de (siehe Impressum ebenda) hinterlegt.